Geschichte der protestantischen Kirche Klingenmünster / Vor 50 Jahren wurden Glocken geweiht
In diesen Tagen ist es 50 Jahre her, dass der Neubau der protestantischen Kirche Klingenmünster mit der Einholung der Glocken und der Fertigstellung des Turmes endgültig abgeschlossen wurde, rund sieben Jahre nach Baubeginn. Die Arbeitsgemeinschaft „Altes Klingenmünster“, eine Gruppe der Initiative „Zukunft Minschder“ ist der Geschichte der alten und der neuen Kirche nachgegangen und hat auch einen Augenzeugen befragt.
Der Mann, der damals den Neubau der Kirche miterlebt hat und beim Bau aktiv beteiligt war, ist der heute 88-jährige Karl Kiefer. Als Zimmermann hat er am Bau des Dachstuhls mitgewirkt und von der Höhe des Firstbalkens am Richtfest im Frühjahr 1958 vor den zahlreich versammelten Gästen den Richtspruch gesprochen. „Die Zimmerarbeiten hat die Firma Schaller aus Klingenmünster gemacht, ich glaub‘, es war die erste oder zweite Arbeit der neugegründeten Firma. Der Chef war jedenfalls jeden Tag auf der Baustelle“, berichtet der rüstige und lebhafte alte Herr. „Für mich persönlich war es besonders aufregend. Ich war in dieser Woche krankgeschrieben, wollte aber auf jeden Fall als Minschdrer persönlich den Richtspruch sprechen und das Glas zum Wohl der neuen Kirche austrinken und in den Rohbau werfen!“ Aber natürlich war auch die Presse da, und als Kiefer am nächsten Tag ein Bild von sich in der Zeitung sah, war er sehr erschrocken. „Aber Gott sei Dank isch nix bassiert,“ erzählte er lachend.
Aber warum musste die protestantische Kirchengemeinde sich ein neues Gotteshaus bauen, was hatte sich ereignet? Dazu muss man fast 300 Jahre zurückblicken. Im Jahre 1705 wurde im Zuge der Gegenreformation die Stiftskirche wieder katholisch und stand der reformierten Kirchengemeinde nicht mehr als Gotteshaus zur Verfügung. Aus diesem Grund wurde bereits 1726 im Oberdorf an der Weinstraße eine eigene Kirche errichtet. Doch einen Turm konnte man sich damals offenbar nicht leisten. Lediglich ein Dachreiter wurde errichtet, in den 1778 die erste Glocke ihren Platz bekam. Nach der Kirchenunion 1818, die den Zusammenschluss der Reformierten und Lutheranern zur Folge hatte, bekam die Kirche eine größere Bedeutung. Sie diente nun der erweiterten Gemeinde als einziges Gotteshaus, die erst 1782 gebaute Kirche der lutherischen Gemeinde wurde 1829 bis auf die Grundmauern abgerissen. 1835 erhielt die Kirche eine zweite Glocke, die zur vorhandenen Glocke in den Dachreiter kam.
Offenbar unter dem Eindruck, dass die protestantische Kirche im Dorfbild besser in Erscheinung treten müsste, hat man 1848 den Dachreiter beseitigt und an seiner Stelle einen Turm im romanischen Stil erbaut, der westlich vor der Kirche Platz fand und nun tatsächlich das Bild des Klingenmünsterer Oberdorfes beherrschte. Allerdings hatte schon damals das königliche Bauamt in München beim Bau des Turms auf den instabilen Untergrund – durchgehend Lettenboden -hingewiesen, was aber nicht weiter beachtet wurde.
Scheinbar stand dieser Neubau des Turms unter keinem guten Stern. So kann man in der Festschrift zur Weihefeier der Friedensglocke im Jahre 1937 lesen: „Nun war aber im Lauf von fast 90 Jahren der Glockenstuhl recht hinfällig und schwach geworden. Der Holzwurm hatte sich eingenistet und Kälte und Nässe hatten das ihre getan, so dass das Läuten allmählich zu einer gefährlichen Sache wurde. Als anlässlich des Todes unseres verehrten Reichspräsidenten von Hindenburg im Jahre 1934 acht Tage hindurch abends von 7 bis 8 Uhr als Zeichen der Trauer geläutet wurde, war es für den alten Glockenstuhl fast zu viel; eiligst musste er mit Eisenbändern verstärkt und gesichert werden, denn schon war er beim Schwingen der Glocken bedenklich ins Schwanken geraten.“
Ende des Jahres 1936 wurde bekannt, dass der Geheimrat Dr. h.c. Jakob Klein in Frankenthal bereit war, eine dritte, große Glocke zu stiften. Bedingung war, dass diese in einem neuen Glockenstuhl „eine würdige Heimstatt finden könne“. Diese Nachricht löste in der Kirchengemeinde eine solche Begeisterung aus, dass innerhalb kurzer Zeit die Spenden dafür zusammen kamen, um einen neuen, eisernen Glockenstuhl in Auftrag zu geben. Da die Tragfähigkeit des Turms, vom Architekten Moock durch ein Gutachten bestätigt, groß genug war, wurde gleich so groß bestellt, dass er vier Glocken aufnehmen konnte.
Gegen Ende des 2. Weltkriegs geriet die Kirche unter Beschuss und durch die Anbringung einer Panzersperre nördlich der Kirche wurde das Fundament beschädigt. 1948, also genau 100 Jahre nach dem Bau des Turms wurde von der landeskirchlichen Bauabteilung von dem „aus dem Lot gewichenen Turm, der auch starke Risse aufweist“ berichtet. Auch wurden Risse im Kirchenschiff beobachtet. Nun verschlechterte sich der Zustand der Kirche und des Turms sehr rasch. 1952 wurden größere Risse am Kirchenschiff festgestellt, die Glocken durften nicht mehr geläutet werden. 1953 wurde der Kirchturm bis zur Traufhöhe abgerissen. Der Glockenstuhl wurde mit den beiden Glocken im Pfarrgarten aufgestellt. 1956 wurde die Kirche wegen Baufälligkeit geschlossen, der letzte Gottesdienst fand am 3. Passionssonntag statt.
Als Ursache für die Schäden wurden einmal der instabile Untergrund aus Ton und Sand, der zudem noch Wasser führte, dann die nicht ausreichende Tiefe der Fundamente und eine schlechte Qualität des verwendeten Mörtels genannt. Die Errichtung der bereits erwähnten Panzersperre und Baumaßnahmen an der Straße wirkten sich nun zusätzlich negativ aus. Der Abriss begann. Aus dem Material der Kirche wurde eine Bauhütte errichtet, in der die Kirchenbänke und die Eingangstür der Kirche gelagert wurden, die Kanzel kam in das Historische Museum nach Speyer.
Unter Pfarrer Kerth wurde durch den Architekten Wilhelm Ecker aus Landau ein Kirchenneubau geplant, der etwas hangaufwärts und 14 Meter von der Weinstraße zurückgestellt errichtet wurde. Der Herausforderung des wasserführenden, instabilen Untergrunds wurde dadurch begegnet, dass ein Stahlbetongerüst für Halt sorgen soll. Außerdem wurden die Fundamentsbalken miteinander verbunden, so dass der ganze Bau auf einem „Rost“ ruht, der die Fundamente gegen seitlichen Erddruck schützt.
Am 1. September 1957 erfolgte die Grundsteinlegung, am 1. Advent 1958 wurde die neue protestantische Kirche mit einem feierlichen Gottesdienst unter dem Motto „Kirchen sind wie Zelte, die Gott uns bauen lässt“ eingeweiht.
Gleichzeitig mit dem Kirchenneubau 1958 wurde auch die erste Stufe des Turms erstellt, die mit Sandstein verkleidet wurde. Die Fertigstellung, bei der auf die vollständige Verkleidung mit Sandstein verzichtet wurde, erfolgte erst in den Jahren 1964/65. Mit der Einholung der Glocken am 27. Februar 1965 und der Glockenweihe am Sonntag Lätare, dem 28. März 1965, war der Neubau der protestantischen Kirche Klingenmünster dann endgültig abgeschlossen.
Arbeitsgemeinschaft „Altes Klingenmünster“, Januar 2015
Text: Jürgen Müsel
Bilder: Wolfgang Hochdörfer, Theo Arnold, prot. Pfarramt Klingenmünster, Stadtarchiv Landau